Donnerstag, 16. April 2020

Wie Corona die Frauen-Basketballwelt auf den Kopf stellt


Die Saison in der Damen Basketball Bundesliga (DBBL) fand aufgrund der Coronapandemie am 12. März ein plötzliches Ende. Entgegen vieler anderer Ligen entschied sich die DBBL, nicht etwa zu pausieren oder einige Spiele auszusetzen. Auf den ersten Blick wirkte der sofortige Saison-Abbruch womöglich überhastet und auch die Wertung der Saison scheint auf den zweiten Blick ungenügend durchdacht.

 Das Saisonende und die Konsequenzen

Das plötzliche Saisonende der DBBL hatte zum einen zur Folge, dass es keine Entscheidung gab, wie die Saison gewertet würde: Zählt die Tabelle des 21. Spieltages oder nicht? Zum anderen endeten auch viele Verträge von Spielerinnen, sowie Trainern und Trainerinnen, denn die Verträge beinhalten häufig die Klausel „bis zum letzten Spiel“. Einige Vereine schoben sogar bei garantierten Verträgen „höhere Gewalt“ als Begründung zur sofortigen Vertragsbeendigung vor. Verständlich aus Vereinssicht, denn die nicht stattfindenden Playoffs führten zu fehlenden Sponsorengeldern und Zuschauereinnahmen. Außerdem ergaben sich zusätzliche Kosten wie unter anderem Flugumbuchungen für Spielerinnen. Für die Teams der Tabellenplätze 9 bis 12 machte der vorzeitige Saisonabbruch kaum einen Unterschied, da deren Saison zwei Tage später sowieso geendet hätte. Für Spielerinnen und Trainer/-innen der ersten acht Vereine konnte die Entscheidung allerdings einen Gehaltsverlust nach sich ziehen, da viele Verträge nun Mitte März anstatt beim Ausscheiden aus den Playoffs endeten. Bei den zwei Finalisten, die voraussichtlich bis Ende April/Anfang Mai gespielt hätten, bedeutet dies sogar bis zu sieben Wochen weniger Gehalt!
Insgesamt kann das eine erhebliche Summe ausmachen. Allerdings können wir uns im Basketball noch relativ glücklich schätzen, dass COVID-19 erst Mitte März in Deutschland vermehrt Einzug hielt. Was wäre gewesen, wenn es bereits im Oktober zum Saisonabbruch geführt hätte?
Außerdem haben deutsche und EU-angehörige Spielerinnen/Trainer/-innen den Vorteil, entweder in die Kurzarbeit oder in die Arbeitslosigkeit zu gehen. Das bedeutet, sie bekommen immerhin einen Teil ihres Gehaltes (meist 60%) und sind weiterhin versichert. Vielen anderen ausländischen Spielerinnen bleibt dieser Leistungsbezug in ihrem Heimatland verwehrt.
Im Vergleich zu einigen Männer-Sportarten lassen sich im Frauen-Basketball selten Rücklagen aufbauen. Jedoch muss man unterscheiden, zwischen europäischen Spielerinnen, die seit vielen Jahren im Geschäft sind, die durchaus Rücklagen bilden können, und den vielen so genannten Rookies, die ihre erste Auslandserfahrung sammeln. Häufig spielen vor allem Amerikanerinnen unter dem vorgeschriebenen Mindestlohn. Nicht selten kommt es vor, dass eine Amerikanerin nur 600 Euro im Monat verdient. Häufig werden auch Verträge mehrgleisig finanziert oder studierende Spielerinnen bevorzugt. Viele Vereine bieten auch von Sponsoren gestellte Zusatzleistungen wie eine möblierte Wohnung, Mahlzeiten in einem Restaurant, eine Monatsfahrkarte oder einen fahrbaren Untersatz an. Anders wäre eine Damen Bundesliga Mannschaft für die meisten europäischen Vereine überhaupt nicht finanzierbar. Was dann übrig bleibt, vor allem im Verletzungsfall oder in einer Pandemie wie im Moment, daran denken die jungen Sportlerinnen meist nicht. Schließlich wollen sie doch nur den Fuß in die Tür bekommen und ihren Traum vom Profi verwirklichen. Die meisten hoffen einfach, dass sich dies nach ein oder zwei Jahren, in denen sie ihr Können beweisen werden, von selbst ändern wird. Der Traum hat nur ein Handicap, wenn die Spielerinnen den Sprung in eine finanzstärkere Liga nicht schaffen, wird er nicht war. Vereine, die ums Überleben kämpfen, haben auch in ein oder zwei Jahren nicht mehr Geld zur Verfügung und müssen jede Saison erneut auf einen Rookie zurückgreifen, da sie nicht mehr zahlen können auch wenn sie es wollten.

Die momentane Situation und der Umgang mit den Einschränkungen

Fitnessstudios, Sporthallen und öffentliche Sportanlagen sind und bleiben vorerst geschlossen. Dies bedeutet für alle Sportler eine große Einschränkung. Allerdings ist die Situation in Deutschland wesentlich besser als in manch anderen Ländern, wie unter anderem Italien. In Deutschland ist Sport treiben im Freien erlaubt und dies sollte man ausnutzen. Auch kann man sich in den eigenen vier Wänden selbst fit halten. Als Profi-Sportlerin kennt man genügend Übungen, die man mit geringen Mitteln daheim durchführen kann, auch wenn sie sportartunspezifisch sind. Bei mangelnder Kreativität gibt es derzeit auch zahlreiche Online-Angebote.
Vor allem für Basketballerinnen sollten die Einschränkungen nicht allzu groß sein, fällt doch die Pandemie fast genau in die Saisonpause. Außerdem wurden alle Events der Nationalmannschaften und die FIBA Wettbewerbe verschoben, so dass es vielleicht einfach mal an der Zeit ist seine Verletzungen auszukurieren und seinen Körper heilen zu lassen.
Unpassend dagegen sind Lockerungen in gewissen Sportarten, wie derzeit Kleingruppentraining bei Fußballern. Wenn, dann sollten die ersten Lockerungen bei Einzelsportarten eintreten und nicht bei der in Deutschland finanziell stärksten Sportart.
Weiterhin sollten junge Basketballerinnen die Chance ergreifen und an einem Plan B arbeiten. Viele absolvieren ihren Bildungsweg bevor sie ins Profi-Geschäft einsteigen, andere müssen ihn nebenbei absolvieren. Es ist nicht einfach, Studium oder Ausbildung mal eben „nebenbei“ zu machen, allerdings ist es notwendig und die Corona-Pandemie gibt einem gerade jetzt Zeit dafür.

Die Aussicht auf die kommende Saison

Natürlich trifft Corona auch den Frauen-Basketball, so wie alle anderen Branchen. Die Auswirkungen werden wahrscheinlich fataler sein als bei vielen anderen Sportarten, denn Frauen-Basketball ist immer noch eine Randsportart in Deutschland. Die Existenz der Vereine hängt immens am Wegbrechen von Sponsoren, selbst an kleinen. Das bedeutet, dass nicht nur die Anzahl der Vereine auf dem Spiel steht, sondern auch die Qualität der Mannschaften. Die Leistungsstärke der Liga im internationalen Vergleich könnte sinken. Ein weiteres Problem: die Anzahl der zu vergebenden Jobs wird sinken. Das betrifft weniger deutsche Basketballerinnen, denn Europäerinnen werden auf dem Basketball-Markt immer gesucht, da es für sie mehr Jobs gibt als für sogenannte Imports (Amerikanerinnen, Kanadierinnen etc.) deren Spots limitiert sind.
Ganz anders sieht es dagegen auf dem Markt für Trainer und Trainerinnen aus. In vielen Ländern stellen Vereine nur einheimische Trainer ein, deshalb ist es sehr schwer etwa auf den spanischen, italienischen oder französischen Trainermärkten Fuß zu fassen. Die Deutschen machen da mal wieder eine Ausnahme. In Deutschland und vor allem in der DBBL sind mehr als die Hälfte aller Trainerstellen an Ausländer vergeben (*siehe Tabelle). Der hauptsächliche Grund ist wieder einmal die Bezahlung. Meist bringen auch ausländische Trainer preisgünstige Spielerinnen aus ihrem Heimatland mit, was vielen Vereinen ebenfalls gelegen kommt. Vor allem zu Beginn einer Saison sind die meisten Trainerstellen an ausländische Kandidaten vergeben. Wenn während der Saison ein Vertrag aufgelöst wird, wird häufig in den internen Reihen nach einer Lösung gesucht und die Trainerstelle dann eventuell mit einer deutschen Kraft besetzt, nicht selten, wenn es bereits zu spät ist.
Ob es im Herbst 2020 wieder eine Damen Basketball Bundesliga geben wird, steht momentan noch in den Sternen. Entgegenkommen wird vielen Vereinen der verspätete Saisonbeginn (10.10.2020 drei Wochen später als in der Saison 2019/20) und das Erlassen einiger Auflagen für das Lizenzverfahren seitens der DBBL. Beides wieder zum Nachteil für die Angestellten – Spielerinnen und Trainer/-innen. Durch den nach hinten verschobenen Saisonstart erhalten diese für einen längeren Zeitraum kein festes Gehalt, denn im Basketball sind in vielen Vereinen nur Saisonverträge üblich. Zum anderen birgt es ein höheres Risiko, dass Vereine in der Saison in die Insolvenz gehen und die Angestellten ihre Arbeit verlieren. Dies gab es bereits mehrmals, zuletzt zogen sich die Fireballs Bad Aibling in der Saison 2018/19 aus der Liga zurück.
Außerdem sind Saisonverträge bei Trainern und Trainerinnen nicht mehr zeitgemäß, denn gerade im Sommer muss an individuellen Fähigkeiten und Athletik der Spielerinnen gearbeitet werden, um langfristig gesehen Anschluss im internationalen Vergleich schaffen zu können. Außerdem haben Trainer und Trainerinnen in der Saisonpause mehr Zeit um Kinder für die Sportart Basketball zu begeistern und so einen breiten Untergrund zu schaffen.
Ob all diese Dinge wirklich Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Spielerinnen haben sei dahin gestellt, doch auch die Pandemie wird wohl an einem Zusammenhalt im Deutschen Damen Basketball nichts ändern, denn auch nach Corona oder gerade deshalb wird weiterhin das Geld die Basketballwelt regieren.

Was jede/r einzelne tun kann?

Wir sind alle von der Pandemie betroffen – finanziell, wirtschaftlich, gesundheitlich – in vielen Facetten. Wer jetzt noch ein Einkommen hat, kann wirklich dankbar sein. Auch wenn es zu finanziellen Einschränkungen kommt, kündigt nicht eure Mitgliedschaft im Sportverein. Wenn ihr es euch leisten könnt, unterstützt ihn mit ehrenamtlicher Arbeit oder vielleicht sogar einer Spende und wenn die Saison wieder los geht, dann besteht nicht über Verbindungen auf freien Eintritt bei einem Spiel, sondern zahlt den Eintritt und bringt am besten noch jemanden mit. So einfach es sich anhört, so einfach ist es!




Veröffentlicht bei sportfrauen.net am 16.04.2020: https://www.sportfrauen.net/Basketball/wie-corona-die-frauen-basketballwelt-auf-den-kopf-stellt-ein-kommentar