Montag, 3. Februar 2020

Keltern – ein Verein ohne Jugendarbeit?

Keltern ist bei den Basketball-Insidern ein sehr umstrittenes Pflaster. Dominierend in der ersten Liga, aber keine Nachwuchsförderung für Deutsche Spielerinnen. Stimmt das?

Im September 2018 entschied ich mich zu den Rutronik Stars Keltern zu wechseln. Zum einen wollte ich nach meiner internationalen Erfahrung mit dem DBB bei der wU16 Europameisterschaft im Sommer 2018 weitere internationale Erfahrung im Eurocup sammeln. Desweiteren wollte ich den Ruf Kelterns ändern und zur Jugendförderung beitragen.

Wer mich kennt, weiß, dass ich in Osnabrück drei Jahre als Spielerin und Trainerin tätig war. Ich habe von der U13 bis zu Bundesliga alle Mannschaften betreut. In der WNBL als Co-Trainer einen Vizemeister-Titel errungen, das Jahr darauf mit einer U15-Mannschaft den Klassenerhalt in der WNBL gefeiert. Mit der zweiten Mannschaft sind wir von der zweiten in die erste Regionalliga aufgestiegen und ebenso mit der Bundesliga. In allen Mannschaften wurden junge deutsche Spielerinnen gefördert, genauso wie mit dem Panthers at school-Projekt weitere Kinder für die Sportart Basketball begeistert wurden. Natürlich gab es auch Schattenseiten, zum Beispiel der Abstieg von der ersten in die zweite Bundesliga im Jahr darauf. Ich war unerfahren, häufig auf mich allein gestellt und in Spielen, wo man mit dem Rücken zur Wand stand, vertraute auch ich eher auf die Ausländer, als auf die jungen Deutschen. Umso dankbarer bin ich, dass sie heute noch spielen – zwei waren Tonia Dölle, heute 1. Bundesliga GiroLive Panthers Osnabrück, und Michelle Müller, heute 2. Bundesliga Panthers Academy.

In den Jahren darauf war ich in Braunschweig aktiv. Auch dort gelang ein WNBL Deutscher Meistertitel und die Entwicklung der Deutschen stand im Vordergrund! Dabei wurden Jugendspielerinnen in die zweite Bundesliga integriert und wir landeten im zweiten Jahr auf einem tollen siebten Platz mit drei Minderjährigen im Team, die großen Anteil am Klassenerhalt hatten!

So was geht denn nun in Keltern? Häufig wird der Verein wegen der Jugendarbeit kritisiert und ich muss zugeben, das trifft mich persönlich, denn ich bin Trainerin in diesem Verein! Mir wurde auch schon von Trainern der 1. Bundesliga an den Kopf geworfen wie schlecht die Jugendarbeit in diesem Verein sei. Woher wollen diese das eigentlich wissen, wenn sie nicht mal einen Blick auf meine Arbeit haben?

Natürlich ist es logisch, man sieht auf den ersten Blick den Kader der ersten Mannschaft in dem sich keine deutsche Spielerin befindet. Welche Gründe hat das?
Für mich mehrere:

•    das Leistungsniveau (umso höher das Leistungsniveau eines Teams, umso weniger leistungsstarke Deutsche – Ausnahmen die Teams der Nationaltrainer; gerade im internationalen Vergleich sind die meisten Deutschen momentan nicht gut genug)
•    Gehälter&Abrechnungen (die Deutschen, die gut genug sind und ein Verein wie Keltern gern hätte (z. B. Ama Degbeon oder Marie Gülich), kann man sich selten oder gar nicht leisten)
•    der Ruf Kelterns (keine Deutschenförderung)
•    das Dorf (Lage und Größe Kelterns)
•    die Jugendarbeit in den vergangenen Jahren (momentan keine Jugendleistungs-trägerinnen, die nach rutschen können)
•    individuelle Gründe (Spielzeit, Studium, Nähe zu Freund/Elternhaus,…)

Also, doch die Jugendarbeit! Auf den vorletzten Punkt möchte ich nun genauer eingehen und auch einige Fakten bringen. Vorweg sei gesagt natürlich kann ich innerhalb zweier Saisons keine WNBL-Mannschaft züchten. Die meisten Spielerinnen in Keltern sind Jahrgang 2005 oder jünger, also zu jung, um in der WNBL zu spielen. In den WNBL Jahrgängen haben wir nur zwei Spielerinnen, die diese Saison in die Regionalliga-Mannschaft integriert wurden. Allerdings hat die U16 unter Chris im letzten Jahr den Landesmeister-Titel geholt, unter anderem mit Siegen gegen Heidelberg und Freiburg, und ist auf dem besten Wege in den zukünftigen Jahren in der WNBL Fuß zu fassen.

Nun aber zu den Fakten:
Soweit mir bekannt ist, hat Keltern seitdem sie in der ersten Bundesliga sind bis 2018 keine Come on Girls Days, Camps oder andere Schulaktionen durchgeführt. In den zwei Saisons in denen ich in Keltern bin, haben die folgenden Basketball-Aktionen stattgefunden:


Come on Girls Day:

Saison 2019/20      1x (15.12.2019)                41 Teilnehmer
Saison 2018/19      1x (30.09.2018)                41 Teilnehmer


Eigene Basketball Camps:

Saison 2019/20
  • Meet the Stars Camp   (05./06.09.2019)           30 Teilnehmer
  • Winter Camp                (27./28.02.2020)           49 Teilnehmer
  • Kids Workshop             (21.03.2020)                 geplant 25 Teilnehmer
Saison 2018/19
  • RSK Camp                    (06./07.03.2019)          35 Teilnehmer

Externe Basketball Camps:

Saison 2019/20:
  • Panima Days                  (29. – 31.07.2019)            unbekannt
  • BBW Camp in Stuttgart  (26. – 28.02.2020)            unbekannt

Weitere Aktionen:
·        Drei Schul-AGs (Dietlingen, Ellmendingen, Königsbach-Stein), Schulsportbesuche (Gymnasium Remchingen), Englischunterricht (Grundschule Dietlingen), Besuch der Kängurus vom TSV Berghausen bei Spielen der RSK

Wie man sieht, tut sich etwas in Keltern, um mehr Kinder für die Sportart zu begeistern. Wie sieht es nun in den Mannschaften aus?
Der Verein hatte die letzten zwei Jahre folgende Mannschaften gemeldet:


Saison 2019/20          U12mix (18 Kinder – 7 U10 Spieler/innen), U16 (15 Spielerinnen), Regionalliga (15 Spielerinnen), 1. Damen
Saison 2018/19          U12mix (15 Kinder – 5 U10 Spieler/innen), U14 (10 Spielerinnen),
                                   U16 (6 Spielerinnen), Regionalliga (unbekannt), 1. Damen


Die U12mix Mannschaft inklusive aller U10 Kinder wird von mir betreut. Als ich 2018 nach Keltern kam, habe ich diese Mannschaft mit neun Kindern übernommen. Inzwischen sind es 18 Kinder, wobei ich aber fünf weitere aufgrund des Alters/Umzug im Sommer abgeben musste. Von meinen derzeit 18 Kindern gehören auch sieben noch der U10 an.

Die Fakten der U12mix Mannschaft:

Saison 2019/20       mit 10 Kindern (3 , 7 ) begonnen, 8 Kinder (4 ,4 ) dazu
                                gewonnen
Sommer 2019          5 Abgänge (2 , 3 ; 4x altersbedingt, 1x Umzug)
Saison 2018/19       mit 9 Kindern (5 , 4 ) begonnen, 6 Kinder (alle ♀) dazu gewonnen


Auch in der ersten Mannschaft hat man eine Änderung wahrgenommen, unter anderem an der Spielzeit von Linn Schüler (Quelle Eurobasket):

Saison                 Liga                                     Eurocup
2018/19              9.6mpg (23 Spiele)           9.7mpg (6 Spiele)
2017/18              3.5mpg (12 Spiele)           2.0mpg (2 Spiele)
2016/17              5.9mpg (11 Spiele)           4.0mpg (7 Spiele)


Natürlich liegt das nicht alles einzig und allein an mir, mehrere Leute haben Anteil an den Veränderungen. Natürlich bin auch ich diese Saison ein Teil des Teams, das ohne deutsche Beteiligung antritt, aber dies war nicht von vornherein der Plan. Beiden Deutschen der vergangenen Saison wurden Angebote gemacht, eine hatte sogar zugestimmt. Beide haben einen anderen Weg eingeschlagen. Auch mit diversen anderen deutschen Spielerinnen wurde gesprochen. Weshalb Keltern derzeit keine junge Deutsche aus den eigenen Reihen aufbieten kann, habe ich oben bereits erklärt. Ob dies in naher Zukunft geschehen wird, bleibt abzuwarten, auch ob Keltern eine WNBL Mannschaft stellen kann, aber nur weil derzeit in der ersten Bundesliga keine Früchte der eigenen Arbeit geerntet werden können, heißt es nicht, dass unten nicht gesät wird.

Eins möchte ich aber noch klar stellen - die Entwicklung der Spieler/-innen liegt mir sehr am Herzen, dabei macht es für mich keinen Unterschied, ob es sich um Mädchen oder Jungen handelt, Deutsche oder andere Nationen, Anfänger oder Profi. Ich bin Trainer aus Leidenschaft am Sport, besser gesagt Basketball, und möchte diesen an Lernwillige vermitteln egal woher!

Hier noch einige Beispiele für die Entwicklung meiner Spieler/innen und was mir daran Spaß bereitet. Sie sind extra aus verschiedenen Bereichen gewählt, so dass jeder sehen kann, dass es für uns Trainer keine Rolle spielt wem wir etwas beibringen, solange wir jemandem etwas beibringen.

Beispiel 1: Ich übernahm eine Mannschaft mit einigen jungen Spielerinnen. Mit einer hatte ich anfangs einen schweren Draht. Fast jedes Training war sie an der Grenze in Tränen auszubrechen. Es gab auch einige Trainingseinheiten in denen die Tränen flossen. Nach zwei Jahren mit ihr gab es im Training folgenden Vorfall: Sie verpasste einer Mitspielerin aus Versehen einen Schlag mit dem Ellenbogen gegen die Nase und ergänzte die Aktion mit dem Spruch „war doch gar nicht so schlimm“. Jetzt mögen einige denken was hat das mit Entwicklung zu tun? Doch hat es, sie wurde taffer und hatte sich an die Härte im Erwachsenenbereich gewöhnt! Keine Sorge, die Nase war nicht gebrochen und besagte Spielerin mit den scharfen Ellenbogen geht immer noch auf Korbjagd in der Bundesliga :)

Beispiel 2: Ich brachte einer ausländischen Spielerin einen Ein-Kontakt-Korbleger bei. Eigentlich ein Standard-Move im Basketball, aber nicht überall verbreitet. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, machte sie diesen auch in Spielen. Mein absolutes Highlight war als ich mitbekam wie eine Mitspielerin im letzten Saisonspiel zu ihr sagt, dass sie den besagten Move ja wieder gemacht hätte und sie antwortete mit „yea, it’s my favorite now!“

Beispiel 3: Ein U12-Spieler, der selbst mit links wirft, hatte im Spiel Probleme einen Linkskorbleger zu machen, weil er einfach besser mit rechts dribbelt. Selbst ständiges Üben im Training, wobei er nur seine linke Hand benutzen durfte, brachte nicht wirklich Besserung. Ich brauchte eine neue Motivation und wir machten einen Deal. Wenn er es schafft im Spiel einen erfolgreichen Linkskorbleger zu machen, bekommt er ein Eis. Schafft er es die gesamte Saison nicht, bekomme ich eins von ihm. Die Mutter berichtete mir, dass er jetzt immer fleißig mit links übe und sich bereits erkundigt habe wie teuer denn ein Eis sei :D Am Ende der Saison aß ich ein Eis, nicht er.
Neue Saison, gleicher Deal. Erstes Spiel und ein erfolgreicher Linkskorbleger!!! Er freute sich so sehr, dass er glatt vergaß zurück in die Verteidigung zu laufen und sein Gegner einen Korb machte (Ich muss immer noch lachen, wenn ich an die Situation denke, auch wenn ich damals nicht so begeistert von dem Gegenkorb war). Aber versprochen ist versprochen und er wird sein Eis bekommen. Für den Rest der Saison haben wir den Deal jedes Spiel einen Linkskorbleger für ein weiteres Eis. Bisher hat er es in beiden bisher gespielten Partien geschafft ;-)

Ich hoffe ich konnte mit diesem Bericht einen kleinen Einblick in meine Arbeit und auch in die Jugendarbeit von Keltern geben. Bevor immer kritisiert wird, sollte man sich einen Überblick verschaffen und auch überlegen was überall kommentiert und gepostet wird. Es mag vielen nicht gefallen, dass die Rutronik Stars Keltern diese Saison ohne deutsche Spielerin spielen, dennoch können die Mädels, die das Trikot tragen nichts dafür und es schmälert ihre Leistung in keinster Weise!

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